Lebendige Gemeinde bereitet sich auf Kirchenwahlen 2019 vor

Korntal. Die ChristusBewegung Lebendige Gemeinde hat am Samstag, 14. Juli mit rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern und Synodalen beim Forum Lebendige Gemeinde erarbeitet, wie sie sich zu einzelnen Themen bei den 2019 anstehenden Kirchenwahlen in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg positioniert. Dekan Ralf Albrecht aus Nagold stellte in einem Impulsreferat unter dem Thema „Bis hierher – und viel weiter“ die Entwicklungen der letzten Jahre dar, analysierte die Stärken der Bewegung und beschrieb die bleibenden Herausforderungen. Albrecht ist seit 2008 Vorsitzender der ChristusBewegung Lebendige Gemeinde und seit 2013 auch in der Gesprächskreisleitung der gleichnamigen Synodalgruppe.

Ein deutschlandweit einzigartiges Netzwerk mit innovativer Kraft

Dabei unterstrich Albrecht die Besonderheit der geistlichen Landschaft in Württemberg: „Erst durch den Blick von außen fällt einem neu auf, was hier in Württemberg an breiter Vernetzung alles gewachsen ist – das ist in Deutschland in dieser Dichte einzigartig.“ Sowohl die Jugend- und Gemeinschaftsverbände als auch die zahlreichen süddeutschen Missionswerke sind über gemeinsame Plattformen wie den Christustag, die Jugendkonferenz für Weltmission und die Evangelisationsreihe proChrist seit Jahrzehnten personell eng mit der ChristusBewegung verbunden.

Durch den breiten Austausch sei es immer wieder gelungen, gerade die traditionsreichen Veranstaltungen zu verjüngen und zu modernisieren, ohne deren Wesenskern zu verlieren. Der Blick über den Horizont der eigenen Ortsgemeinde hinaus helfe enorm, für innovative Formen und neue Arbeitsfelder offen zu bleiben. Das gelte nicht zuletzt für den Bereich der Digitalisierung, wodurch Menschen auf ganz eigene Art angesprochen werden könnten. Hier sei auffällig, wie viele sich hier engagierten, deren Wurzeln eben auch im Pietismus liegen würden.

Hören auf Gott ist keine Zeitverschwendung

Der Pietismus werde in Württemberg auch in Zukunft kirchenpolitisch ein starkes Gewicht haben: „Das bescheinigen uns nicht zuletzt diejenigen, die sich selbst nicht zum Pietismus dazurechnen“, so Albrecht. Beim letzten Schwerpunkttag der Sommersynode in Ulm „Geistgeleitet geistlich leiten“ sei erneut deutlich geworden, wie der Pietismus die Kirche immer wieder an ihre geistliche Mitte erinnere. Manche hätten die Zeiten der Stille, des bewussten Hörens auf Gott als befremdend oder sogar als Zeitverschwendung erlebt. Bis in die kirchliche Berichterstattung hinein habe es Äußerungen gegeben, die Unverständnis signalisiert hätten. „Natürlich stand es quer zu allen sonstigen Synodaltagungen und aller Gremienarbeit, dass wir uns einmal ganz ausführlich und auch öffentlich Zeit für die Stille genommen haben, um auf Gott zu hören. Aber solche Zeiten sind wesentlich für kirchliche Leitung.“, führte Albrecht aus. Der Pietismus sei als Bewegung immer auch eine Gebetsbewegung: „Das Gebet ist für uns unverzichtbar und wir beten in dem Vertrauen, dass Gott auf unsere Gebete antwortet.“

Die Erfindung des „Genusspietismus“

Albrecht bemerkte kritisch: „Viel zu oft wird der Pietismus alleine mit antimodernistischen Haltungen identifiziert.“ Zu den Herausforderungen der Bewegung zählte er, authentisch mit eigenen Schwächen umzugehen. „Was wir predigen, muss sich auch mit unserem Leben in Deckung bringen lassen.“ Albrecht erinnerte daran, dass „Pietist“ von Anfang an ein Spottname für die sogenannten „Frommen“ gewesen sei. Aber die so bezeichneten „Pietisten“ hätten ihn bald als Ehrennamen angenommen. Albrecht selbst habe zusammen mit einem Freund den Begriff des „Genusspietismus“ geprägt, der sogar von der Landesregierung zitiert worden sei. Für diesen Begriff habe auch der berühmte Nagolder Pietist und Apotheker Gottlieb Heinrich Zeller (1794-1864) Pate gestanden, der mehrfach in seinen Tagebüchern davon gesprochen hatte, das Leben mit Gottes Gaben regelrecht zu genießen.

Klares Ja zu biblischen Werten und zur Gemeinde vor Ort

Beim anschließenden Austausch in Arbeitsgruppen konzentrieren sich die Teilnehmer auf verschiedene Themenschwerpunkten. Die Rückmeldungen wurden gesammelt und sollen in eine spätere Veröffentlichung einfließen, mit der die Bewegung sich im Kirchenwahljahr positioniert. Ein klares Ja zu biblischen Werten wurde dabei von vielen Teilnehmenden unterstrichen. Dies gelte nicht nur für die Sexualethik, sondern für alle Gebote Gottes. Dazu gehöre der Umgang mit Geflüchteten und der Schutz ihrer Menschenwürde ebenso wie der Umgang mit pflegebedürftigen oder dementen Eltern angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft. Auch im Blick auf kirchliche Strukturen sei in den kommenden Jahren die Innovationskraft des Pietismus gefragt. Hier gelte es, Kirche in der Fläche weiter zu ermöglichen. „Wir waren und sind eine Basisbewegung“, hielt Albrecht fest.

Die ChristusBewegung Lebendige Gemeinde ist seit über 60 Jahren ein breites Netzwerk innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Sie verbindet Menschen aus Kirchengemeinden, Jugend- und Gemeinschaftsverbänden, Missionswerken und freien Initiativen. Ihre Wurzeln liegen im Pietismus und der Erweckungsbewegung. Insgesamt 32 regionale Arbeitskreise organisieren regelmäßig Veranstaltungen in den Kirchenbezirken der württembergischen Landeskirche, darunter auch den traditionellen Christustag. Die Arbeitskreise begleiten ebenfalls die ehrenamtliche Arbeit der gleichnamigen Synodalgruppe Lebendige Gemeinde. Mit 43 von 98 Synodalen stellt die Lebendige Gemeinde den stärksten Gesprächskreis dar. Die Landessynodalen entscheiden über die Verwendung der Kirchensteuermittel, legen die kirchlichen Ordnungen fest und wählen den Landesbischof. Am 1. Dezember 2019 werden in Württemberg die Kirchengemeinderäte und die Landessynode für sechs Jahre neu gewählt.